Immer wieder hört oder liest man über das Aussterben der Nachtclubs und Tanzlokale in ganz Deutschland. Insbesondere wenn man sich selbst in einer bestimmten musikalischen Szene bewegt, häufig ausgeht oder sogar durch das Nachtleben sein Geld verdient, kommt man an diesem Thema kaum vorbei.
Im Internet findet man diverse Informationen über die möglichen Ursachen. Besonders in großen Metropolen wie Berlin oder Frankfurt haben in den letzten Jahren viele Clubs schließen müssen. Vor allem ist dies aufgrund der vielen Studentensehr zum Bedauern. Denn das Ausgehen ist für viele ein elementarer Bestandteil ihrer Studienzeit. Man trifft sich abends mit Kommilitonen und Freunden in der WG um anschließend feiern zu gehen. Aber auch die Möglichkeit in Bars oder Diskotheken, abseits der Vorlesungszeiten, zu jobben und Geld zu verdienen, geht auf diesem Weg verloren.
Ich selbst arbeite seit dem Frühjahr 2017 im „Haarlem“ in der Schanzenstraße. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist der Musikkeller ein Ort der Ausgelassenheit gewesen. Es wurde gefeiert, getanzt und neue Freundschaften oder gar Beziehungen sind entstanden. Mit Bekanntgabe der Schließung, nach 55 Jahren, stelle ich mir jetzt die Fragen: Wie steht es um Gießens Nachtleben? Wie viele Lokalitäten haben in den letzten Jahren geschlossen und was bleibt noch? Immerhin hat Gießen ca. 37.000 Studierende (Stand 2017), und das Angebot an Ausgehmöglichkeiten trägt zumindest in meinen Augen durchaus zur Attraktivität des Studienstandorts bei.
Fragt man ältere Absolventen, was Gießen bis vor einigen Jahren an Nachtleben zu bieten hatte, dann sind die Möglichkeiten zum Ausgehen im Vergleich zu heute gering. „Malibu“, „Agostea“, „Nightlife“/„Alpenmax“, „TEMPUS“ oder „Change“, um nur einige wenige zu nennen, sind den Clubschließungen zum Opfer gefallen. Dieses Schicksal hat nun auch das „Haarlem“ getroffen. Die Masse an Schließungen ist groß und über die Gründe könnte man viel diskutieren. Sicherlich hat jede Geschäftsaufgabe ihren ganz persönlichenGrund. Neue Feiertrends, bürokratische Hürden oder gar der demographische Wandel haben aber sicher großen Einfluss.
Auf der Suche im Internet habe ich einen Artikel des „Noisey“ (Vice Magazin Austria) gefunden, welcher von der Veränderung des Geschäftsmodells „Nachtclub“ bzw. dem Wandel der Gastronomie im Allgemeinen handelt. Unter anderem wird dort von der „Eventisierung“ gesprochen:
„Die meisten von uns hatten 2015 öfter in der Sonne ein Bier zu Techno in der Hand als im Jahr 2008. Festivals sind, zumindest auf einer globalen Skala, der Megatrend in der elektronischen Musikszene. Marktforscher nennen das ‚Eventisierung‘: Menschen halten Konsum zu ‚normalen‘ Zeiten zurück, um ein, zwei Mal im Jahr so richtig die Sau rauszulassen.“ [1]
Festivals liegen seit geraumer Zeit stark im Trend und die großen unter ihnen sind meistens restlos ausverkauft. Der beschriebene zurückhaltende Konsum der Jugend sowie die Festival- und Sommersaison, in der Nachtclubs vergleichsweise unattraktiv sind, machen sich in den Kassen der festen Locations bemerkbar. Aber auch der Anspruch potenzieller Ausgeher hat sich im Laufe der letzten Jahre verändert. Die Zeiten, in denen man seine Getränke nachts beim Feiern konsumiert hat, haben sich gewandelt: „Wir stellen fest, dass die Gastronomie zunehmend von Speisen getragen wird und reine Trinkgastronomie abnimmt“, sagt Alexander Schwarz von der GfK. „Wir sehen außerdem grundsätzlich eine Entwicklung von der Nachtgastronomie in den Tagessektor.“ [2]
Doch die neuen Trends und Veränderungen des Konsumentenverhaltens müssen nicht das Aus bedeuten. Ein gutes Beispiel für eine mittelhessische Lokalität nahe Gießen, die diesen Wandel, meines Erachtens nach, früh erkannt hat, ist die Wetzlarer „Technodisco“. Ehemals bekannt als „Ebene 3“, ist die „Technodisco“ nun seit sechs Jahren ein fester Bestandteil des Nachtlebens in und um Wetzlar. Über die Jahre ist der Club kontinuierlich gewachsen. Die Location wurde stetig optimiert und mittlerweile ist die Qualität der Bookings auf einem Niveau, welches sich deutlich mit den großen Konkurrenten der Szene messen kann. Doch bei dem klassischen Clubbetrieb bei Nacht ist es nicht geblieben. Flohmärkte, kleinere Events um die Weihnachtszeit oder das im Sommer stattfindende „James Wood Festival“ machen die Marke „Technodisco“ zu mehr als nur einem Nachtclub.
Ich denke, auch hier ist das Erfolgsrezept die Kombination aus Nacht- und Tagespartys ein entscheidender Erfolgsfaktor, aber auch die Lossagung vom klassischen Clubbetrieb in der Nacht.
Blickt man aktuell nach Gießen, ist die Lage aber dennoch nicht aussichtslos. Mit Lokalitäten wie dem „Ulenspiegel“, „Monkeys“ oder der „Admiral Music Lounge“ ist Gießen, was das Nachtleben angeht, noch lange nicht ausgestorben. Sofern man vorangegangenen Theorien wie der „Eventisierung“ oder dem Wandel des Konsumverhaltens von Nacht zu Tag glauben möchte, sollten sich lediglich die angebotenen Möglichkeiten des Ausgehens ändern und nicht gänzlich verschwinden.
Ich denke nicht, dass die Studenten weniger ausgehen als früher, lediglich die Ausgeh-Mentalität hat sich verändert. Die Menschen gehen nicht mehr nur noch am Freitag- oder Samstagabend weg, sondern sind schlicht und ergreifend flexibler geworden, was den Tag oder die Uhrzeit angeht. Das bedeutet auch, dass das Aussterben von Clubs neue Wege für vielseitigere Konzepte öffnen könnte, in denen ein modernes und neues Umfeld der Ausgehkultur geschaffen wird. Es ergibt sich die Möglichkeit Musik, Tanz und beliebig viele andere gastronomische Attribute zu vereinen. Insofern bleibt es sicherlich spannend zu sehen, was den bestehenden Lokalen einfallen wird, um sich dem Wandel anzupassen, aber auch welche Lokalitäten vielleicht neu eröffnet werden und welche mit einem neuen und ansprechenden Konzept punkten könnten.